Es gibt Namen, mit denen kann man hexen. Irland ist so ein magischer Name. Sein Klang zaubert Bilder von windumsausten Küsten und sonnenbadenden Robben herbei. Er entfesselt Sehnsüchte nach quietschnassen Wiesen, lachenden Möwen und frisch gebackenem Sodabrot, die sich nur durch eine Reise auf die regenbogenbunte Insel stillen lassen.  

Die schönste und einer Insel wohl auch angemessenste Art der Anreise ist die per Fähre. An der Reling stehen, in Seeluft baden, danach Ausschau halten, ob Delfine das Schiff eskortieren, und dem Moment entgegensehnen, in dem sich die verschwommenen Konturen der irischen Küste allmählich am Horizont abzeichnen.

Wenn der signalrot gestrichene Poolbeg-Leuchtturm schließlich die Einfahrt in Dublins Hafen verkündet, heißt es: Fáilte go hÉirinn – Willkommen in Irland!

Die Stadt der Städte

Auch Flugreisende starten ihre Entdeckungstour in der irischen Hauptstadt. Wer sie besucht, darf so viel mehr erwarten als die Guinness-Brauerei und Pubs im Vergnügungsviertel Temple Bar. Dank ihrer Museen, Kirchen, Konzertsäle, Theater und Sportstätten zählt Dublin nämlich zu einer der aufregendsten Kulturmetropolen unserer Zeit.

Kein Wunder also, dass der irische Autor Brendan Behan von ihr als „die Stadt der Städte“ schwärmte. St. Patrick’s Cathedral, das Book of Kells in der Bibliothek des Trinity College und das architektonische Erbe des britischen Empire sind weltberühmt, die Strände und Naturschutzgebiete direkt vor Dublins Haustür hingegen kaum bekannt. Dabei führt schon ein kleiner Ausflug vom Zentrum flugs an die Irische See.

Zum Beispiel auf die Halbinsel Howth, wo im Hafen bereits neugierige Robben als Empfangskomitee warten. Mit etwas Glück kann man während einer Wanderung entlang von Howth’ Küste auch Delphine und Schweinswale sichten und über das Naturkino staunen, das einem die Dublin Bay in glitzernden Blautönen präsentiert.

Kein schöner Land

Davon, dass die Insel am westlichen Ende Europas spektakulär schön ist, kann man sich vor allem an ihrer Westküste überzeugen. An heiteren Tagen leuchtet das Gras so hell, dass es in den Augen schmerzt. Gewaltige Klippen stürzen sich rasant in die Tiefe, wo tintenblaue Atlantikwellen glitzernde Schaumkrönchen tragen. Auf tiefbraunem, regensatten Moor trocknen gestochene Torfbriketts in der Sonne, und während sture Schafe schmale Straßen blockieren, zieht eine Herde gutmütiger Wattewölkchen über einen endlos scheinenden Himmel.

Mit dieser Landschaft fängt man Herzen. Restlos geschehen ist es um Irlandreisende aber spätestens, wenn sie über das Panorama entlang der legendären Küstenstraße Ring of Kerry staunen, sich an den Cliffs of Moher die Wangen windrosa pusten lassen oder in einem der vielen berauschenden Gärten und Parkanlagen flanieren. Voller bonbonfarbener Pfingstrosen, duftiger Hortensienbüsche und wahren Wällen aus Fuchsien, Efeu und Jasmin wecken sie die Lust, noch vielen weiteren irischen Gartengenies in die Beete zu schauen.

Burgen, Schlösser & mehr

Irland ist aber nicht bloß ein Biotop für wind- und wetterfeste Naturliebhaber. Die grüne Insel hortet auch kulturelle, kulinarische und historische Schätze in gewaltigen Mengen. Eine besonders beeindruckende Stätte des Landes ist der Rock of Cashel. Der Anblick der mächtigen Königsburg, die samt Kathedrale, Rundturm und zahlreichen Hochkreuzen auf einem Kreidefelsen thront, verfehlt seine überwältigende Wirkung nie.

Noch effektvoller kommt allerdings das einstige Lustschloss Kylmore Abbey daher, das nach dem 1. Weltkrieg zu einem Kloster der Benediktinerinnen wurde und Besucher mit seinem märchenhaften Antlitz und einem herrlichen Gemüse- und Kräutergarten begeistert. Ganz und gar bescheiden nimmt sich dagegen das Grab von William Butler Yeats aus.

Irlands Nationaldichter hatte sich eine schlichte Ruhestätte in seinem geliebten und in vielen seiner Verse verewigten Sligo gewünscht. Der Friedhof zu Füßen des ikonischen Tafelberges Ben Bulben wurde deshalb vor allem zum Ziel für Verehrer des Nobelpreisträgers.

Die Grafschaft Sligo selbst kann in punkto wilden Küsten, abenteuerlichen Wanderwegen und imposanten Kulturschätzen jedoch absolut mit den touristischen Hotspots Kerry und Cork konkurrieren und liegt wegen der köstlichen Austern aus der Sligo Bay auch auf der Reiseroute jedes Feinschmeckers.

Irland auf der Zunge

Die Zeiten des Arme-Leute-Essens und der grauenhaften Eintöpfe sind längst vorbei, die traditionellen Zutaten Kohl und Kartoffeln aber immer noch fester Bestandteil der irischen Küche. Die kreativen Köche des Landes peppen die alten Rezepte für Irish Stew und Stepherd’s Pie allerdings ordentlich auf und machen so Appetit auf deftige Hausmannskost mit einer modernen Note. Zu den Küchenklassikern von Heute zählen knackiger Algensalat, Spaghetti mit Seetangpesto, Schafskäsespezialitäten und saftiges Kräuterlammsteak.

Geräucherter Lachs von der grünen Insel genießt ebenso Weltruf wie das klassische Full Irish Breakfast aus Bratkartoffeln, Speck, Rühr- oder Spiegelei, Würstchen, gegrillten Tomaten, gebackenen Bohnen und Toast. Ein solcher Frühstücksbrocken ist nun wahrlich kein Haubenkoch-Schnickschnack, dafür aber so reichhaltig, dass man mit seinen Kalorien alle Reiseanstrengungen des Tages locker meistern kann. Bis zum Spätnachmittag ist im Magen dann ohnehin wieder Platz für einen stilvollen Afternoon Tea mit einer Auswahl an hausgemachten Küchlein, ofenwarmen Scones, salziger Butter, süßer Sahne und Marmelade. Vorsicht, Suchtgefahr! Tee ist in Irland noch immer beliebter als Kaffee.

Als Getränk für alle Tageszeiten und Lebenslagen ist er überall allgegenwärtig und wird sogar in größeren Mengen getrunken als die beiden wohl bekanntesten Flüssigkeiten des Landes – Whiskey und tiefschwarzes Guinness-Bier. „Sláinte!“ – „Gesundheit!“ lautet der Toast mit dem sich Menschen in der Republik Irland zuprosten. „Cheers!“ hört man hingegen in den Pubs in Nordirland.

Nördliche Nachbarn

Der zu Großbritannien gehörende Teil der Insel wird von deutschen Irlandtouristen leider immer noch sträflich vernachlässigt, dabei ist die Landschaft ebenso schön wie im Süden – die Küsten dramatisch, die Täler romantisch und die Seen ein Paradies für Angler und Hausbootkapitäne. Der größte Naturtrumpf ist jedoch der Giant’s Causeway.

Die UNESCO zählt das geologische Wunder zum Weltnaturerbe, und die Nordiren haben dazu eine herrliche Schöpfungssage parat: Der irische Riese Fionn hatte seinen schottischen Gegner Benanndonner zum Duell gefordert, musste aber erst massenhaft Steine ins Meer werfen, um über den so entstandenen Giant’s Causeway, den Damm der Riesen, seinen Rivalen erreichen zu können. Tatsächlich existiert eine durchgängige, unter Wasser liegende Basaltbrücke. An ihrem einen Ende ragt die schottische Insel Staffa heraus, an ihrem anderen der Giant’s Causeway in Nordirland. Beide, so weiß die nüchterne Naturwissenschaft, wurden vor 60 Millionen Jahren als Lava ausgespuckt.

Abgekühlt blieb ein mächtiger Haufen von rund 40.000 Basaltsäulen zurück. Das Spektakuläre daran? Fast alle Säulen haben eine fünf- oder sechseckige Form. Perfekte Geometrie, ganz ohne Lineal und Zirkel. Ohne solch Arbeitsgerät wären die Konstrukteure der Titanic wohl nicht weit gekommen. Dem 1911 in Belfast vom Stapel gelaufenen Luxusliner wurde im alten Hafenviertel der Stadt ein eindrucksvolles Hightech-Museum gewidmet. Die kantigen Formen des Gebäudes sind einem Schiffsbug nachempfunden, während die silbrig schimmernde Fassadenverkleidung an den glitzernden Eisberg erinnern, mit dem die Titanic kollidierte und sank. Heute steht das Museum auch für das neu erwachte Selbstbewusstsein der Stadt. Dass Belfast boomt, zeigen auch seine vielen Straßenzüge voller Pubs, Clubs, Galerien und Geschäfte.

Die Zeiten der Konfessionskonflikt zwischen Protestanten und Katholiken, meist nur Troubles genannt, sind allerdings nicht vergessen, ihre Spuren sogar noch sichtbar, wenngleich auch kreativ umgestaltet. Auf der hohen Trennmauer, die zum Schutz  zwischen katholischem und protestantischem Wohnviertel errichtet wurde, hinterließen irische und internationale Künstler zahlreiche Wandgemälde und machten sie so zu einer Belfaster Besucherattraktion.  

Zur gemeinsamen nordirischen Identität, die sich nach dem Friedensschluss von 1998 langsam herausbildete, gehören ganz zweifellos auch Ideenreichtum, Optimismus, Fröhlichkeit und Feierlaune. Daran hat auch der EU-Austritt Großbritanniens nichts geändert.

 

 

Egal, ob es mit dem Flieger oder mit der Fähre auf den Heimweg geht, in unseren Taschen stecken Muscheln, Sand, Steine und kleine Fetzen Schafswolle. Selbstgesammelte Souvenirs, lauter kleine Trophäen unserer irischen Auszeit, die uns an menschenleere Strände und das Raunen des Atlantiks erinnern, an uralte Klosterruinen, Marschwiesen voller Schäfchen und an das violette Schimmern der Heide.

Damit der Wunsch, das alles baldmöglichst wiederzusehen, sich auch erfüllt, darf man nur nicht vergessen, dem Lucky Stone in der Dubliner St. Audeon’s Church seine Aufwartung zu machen. Um diesen einzelnen Granitstein mit dem eingemeißelten Kreuz berühren zu können, standen Menschen schon kurz nach der Errichtung der Kirche im Jahr 1181 Schlange. Sie erhofften sich davon Glück, Gesundheit oder erfolgreiche Geschäftsabschlüsse.

Wenn selbst Jakobswegpilger und Seefahrer seit Jahrhunderten eigens beim Stein vorbeikommen, sollten sich auch heutige Irlandreisende ruhig ihre Portion Glück in Dublin abholen, bevor es heißt: „Slán go fóill – Auf Wiedersehen“.

Fotos von Thomas Schneider, bildbaendiger.de
Text von Nicole Quint


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